Lex: Ostjuden

Der Begriff der „Ostjuden“ beschreibt besonders die Angehörigen der in im östlichen Teil Europas verbreiteten Kultur des Chassidismus. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchten viele Juden den Repressalien des zaristischen Russland durch Auswanderung – vor allem in die USA – zu entgehen. 1910 lebten daher etwa 70.000 sogenannte „Ostjuden“ im Deutschen Reich.

Im Ersten Weltkrieg ging das Deutsche Reich im Ersten Weltkrieg aufgrund eines zunehmenden Facharbeitermangels dann dazu über, unter der jüdischen Bevölkerung der damals von der Reichswehr besetzten polnisch-russischen Gebiete Arbeitskräfte anzuwerben. Hierzu wurde den Juden Osteuropas von deutscher Seite suggeriert, ein deutscher Sieg bedeute deren Befreiung von russischer Herrschaft und damit das Ende der Pogrome, die seit Ende des 19. Jahrhunderts in diesen Gebieten immer wieder gegen die jüdische Bevölkerung inszeniert wurden. Auf diese Weise gelang es schließlich, rund 30.000 Juden aus dem späteren Polen – meist Handwerker und Arbeiter – ins Deutsche Reich zu holen. Die meisten siedelten sich in industriellen Ballungsgebieten an.

Die ostjüdische Bevölkerung sah sich in Deutschland – trotz ihrer recht geringen Zahl – sehr bald antisemitischer Hetze ausgesetzt, die sich nach dem verlorenen Krieg erheblich verstärkte. Aber selbst assimilierte „Westjuden“ blicken mit durchaus gemischten Gefühlen auf ihre Glaubensgenossen. Die ostjüdische Kultur unterschied sich von ihrem westjüdischen Pendant besonders durch einen stärkeren Fokus auf Frömmigkeit, eine eigene, durch osteuropäische Sprachen beeinflusste Form der jiddischen Sprache und das Schtetl, eine isolierte jüdische Siedlung, in der die Einwohner weitgehend unbehelligt leben konnten.

Lex: Arisierung

Der Begriff der „Arisierung“ bezeichnet den Prozess der ab 1933 stattfindenden Enteignung und Ausgrenzung von jüdischen Bürgern. Als „Arier“ wurden „Angehörige der nordischen Rasse“ gesehen, die von den Enteignungen profitierten. Juden galten in Abgrenzung dazu als die Verkörperung der „Nicht-Arier“.

Die „Arisierung“ erfolgte in drei Phasen:

Von 1933 bis 1937 wurde jüdisches Eigentum ohne rechtliche Grundlage und ohne staatliche Anordnungen eingezogen. Von der Partei inszenierte Boykotte und „Volkszorn“ trieben vor allem den Einzelhandel und kleinere bis mittelgroße Betriebe in den Ruin. Bereits seit 1933 konnten Juden mit dem so genannten „Arierparagraphen“ aus dem öffentlichen Dienst und den wichtigsten freien Berufen gedrängt werden.
Ab 1937/1938 veränderte sich die Situation: Die „Arisierung“ wurde vor dem Hintergrund des Vierjahresplans – dem Plan, Deutschland in vier Jahren kriegstauglich zu machen – und des Anschlusses Österreichs von staatlicher Seite systematisiert. Ab April 1938 musste jüdisches Vermögen über 5000 Reichsmark angemeldet werden; der Zugang der jüdischen Bürger zu ihren Bankkonten war somit eingeschränkt. Kurz darauf mussten alle jüdischen Unternehmen registriert werden und die Scheinübertragung auf nichtjüdische Teilhaber wurde unter Strafe gestellt.
Nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde die „Arisierung“ bis zur entschädigungslosen staatlichen Enteignung jüdischen Vermögens radikalisiert. Das Ziel war es, das Reich „judenfrei“ zu machen und allen jüdischen Besitz einzuziehen. Die Stillegung der restlichen jüdischen Betriebe wurde beschlossen und die Ausübung praktisch aller Berufe für Juden verboten. Nach dem Überfall auf Polen wurde die Praxis in allen besetzten Gebieten Europas angewandt. Ab 1941 ging das gesamte Vermögen der deportierten und ermordeten Juden auf das Reich über.
Von der „Arisierung“ profitierten große Teile der deutschen Bevölkerung. Traditionelle antisemitische Neidaffekte des Mittelstandes verbanden sich mit dem Bestreben, jüdische Konkurrenten auszuschalten oder deren Geschäfte zu übernehmen. Das Reich konnte mit den Enteignungen ihre Feldzüge finanzieren. Zu den großen „Arisierungs“-Gewinnlern gehörte die Großindustrie, vor allem der IG-Farben-Konzern, die Flick-Gruppe und Großbanken.